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Nachhall
Der
Film wurde neben vielen Festivals weltweit (u.a.: Berlinale, Cannes, Chicago,
Cadiz, Island, Los Angeles, Krakau, Montreal, Süd-Amerika-Tour Valladollid,)
mit folgenden Preisen ausgezeichnet:
BUNDESFILMPREIS IN SILBER
BAYERISCHER FILMPREIS (PRODUZENTENPREIS)
PREIS DER DEUTSCHEN FILMKRITIK, BERLINALE
PREIS FÜR DEN BESTEN ERSTLINGSFILM, VALLADOLLID
PREIS FÜR DEN BESTEN FILM, CADIZ
NOMINIERUNG ZUM EUROPÄISCHEN FILMPREIS, PARIS
CAMERA D’OR SPEZIELLE ERWÄHNUNG, CANNES
Zusätzlich erhielt Kameramann Thomas Mauch für seine Kamera-Arbeit
bei Wallers letzter Gang den BUNDESFILMPREIS in Gold.
In einigen Ländern wie Frankreich, Kanada, Schweiz, Holland und
Japan kam der Film ins Kino, außerdem ist er weltweit von Fernsheanstalten
(zusätzlich in Schweden, Griechenland, Spanien, Yugoslawien) ausgestrahlt
worden.
Nach wie vor international erhältlich über Internationes/Goethe,
eine deutsche Video-Edition erschien 1996 bei der FILMGALERIE 451, Berlin/Stuttgart.
Die Bundeszentrale für politische Bildung verleiht WALLERS LETZTER
GANG mit über 150 deutschen 16 mm Kopien hält den Film im nichtkommerziellen
Bereich über die Landesbildstellen für Schulen bereit.
Der ARSENAL-FILMVERLEIH, Tübingen spielt den Film nach wie vor im
Repertoire seines Verleihprogramms.
Zahlreiche Kritiken erschienen, aber auch zwei Lexica-Einträge,
die den Film behandeln:
"Nach HEIMAT gab es eine ganze Reihe von Filmen über die
jüngste deutsche Vergangenheit, alle in der Provinz und vor üppigen
Wäldern gefilmt. Christian Wagners von Thomas Mauch opulent fotografiertes
Werk WALLERS LETZTER GANG (1988) wechselt wie in HEIMAT zwischen Schwarzweiß
und Farbe und montiert Schnappschüsse und Ansichten alter Fotoalben
zwischen stimmungsvolle Landschaftsbilder. Während ein alter Streckengeher
zum letzten Mal die Bahnlinie abläuft, erinnert er sich an ein halbes
Jahrhundert seines Lebens und ruft sich dabei Teile deutscher Geschichte
ins Gedächtnis zurück.
Die Vergangenheit mischt sich mit der Gegenwart: Erinnerungen an das Dritte
Reich relativieren sich als gleichwertige Momente innerhalb eines größeren
Zeitkontinuums."
Zitat aus: Geschichte des deutschen Films/ hrsg. von Wolfgang
Jacobsen in Zusammenarbeit mit der Stiftung Deutsche Kinemathek Berlin.
– Stuttgart; Weimar: Metzler, 1993, Kapitel: Film der achtziger
Jahre von Eric Rentschler, S. 312, Abs. 2
Die Geschichte beginnt an einem herbstlichen Morgen und endet am
nebligen Abend: dazwischen liegt ein Leben. WaIler, der als Streckengeher
bei der Bahn den Zustand der Gleise überprüft, macht sich auf
den Weg. Ein Angestellter der Direktion aus München will ihm seine
Kündigung persönlich überreichen: die Annahme des Einschreibebriefes
hatte er verweigert. Wie die Bahnstrecke, so wird auch WaIler nicht mehr
gebraucht Die Leute aus der Gegend halten ihn für einen Kauz, einen
sturen Bock, einen Eigenbrötler.
In zunächst nur kurzen Rückblenden erzählt der Film aus
WaIlers Kindheit und Jugend - nicht wie üblich als notwendiger dramaturgischer
Rückhalt, sondern in Erinnerungen, die bei der gleichförmigen,
beinahe rituellen Tätigkeit wie von alleine aufsteigen. Ausgelöst
werden sie durch konkrete Orte und Motive der dinglichen Wirklichkeit:
Angesichts zweier auf der Bahnstrecke spielender Jungen erinnert sich
WaIler an seine eigene Kindheit und erlebt noch einmal die Schulzeit und
den Beginn seiner Berufstätigkeit.
Die Inszenierung hebt die transitorischen Momente der Erinnerungsarbeit
hervor, Gegenwart und Vergangenheit gleiten - vermittelt durch raffinierte
Kamerafahrten - unmerklich ineinander. Von Schwelle zu Schwelle verwandelt
sich der alte Mann in den jungen. Herzstück ist eine lange Rückblende
in Schwarzweiß die ersten Berufsjahre wahrend des Dritten Reichs.
Schulfreund Rasch, der mit der Fabrikantentochter Angelika verlobt ist,
fällt im Krieg. WaIler macht bescheidene Karriere als Fahrdienstleiter
im nächstgrößeren Bahnhof. Angelika wird zu seiner Geliebten,
ein gemeinsam bestandenes Abenteuer und die Trauer um den gemeinsamen
Freund schweißt sie zusammen. Nachkriegszeit: Alle jungen Leute
sind voller Lebenshunger. Angelika und Waller gehen heimlich ins Kino,
sehen Riso amaro. Ihre Liebe ist unstandesgemäß. Deswegen ist
auch keine Rede von Heirat, als Angelika schwanger wird. Sie stirbt bei
der Geburt, die Tochter Rosina bleibt bei Waller.
Nach dieser lebhaften Erinnerung, die so jäh mit dem Tod endet, wendet
sich der Film nur noch seiner Gegenwart zu. Der Schienenstrang, der im
Verlauf des Films ganz beiläufig zur Allegorie des Lebensweges wurde,
nimmt jetzt eine neue Qualitat an. Drangen die Fahrten der Kamera in die
Tiefe des Raumes zuvor in verschüttete Erinnerungen und tief liegende
Verletzungen ein, stoßen sie jetzt in unbekanntes Territorium vor.
Waller begeht eine schon lange stillgelegte Nebenstrecke, die nur noch
vereinzelte Spuren ihrer einstigen Funktion zu erkennen gibt. Eingestürzte
Steinbrücken, rostige Eisenkonstruktionen, überwucherte und
modernde Schwellen, verlassene Zivilisation, Orte die die Natur sich zurückholt.
Der Film nimmt die verborgene Schönheit und Faszination dieser Wirklichkeit
so ernst, dass die Motive nicht zu Chiffren der Vergänglichkeit verkommen,
sondern ein beredtes Bild einer langsam versinkenden Welt geben. Wagner
hat dabei nur entfernt ökologische Romantik im Sinn - freilich ist
die Rede vom Geruch auf dem Land im Gegensatz zum Staub der Kursbücher
-, viel eher bewegt er sich im Geiste der Impressionisten, insbesondere
Cézannes, der einmal sagte, man müsse sich beeilen, wenn man
noch etwas sehen wolle. “Alles ist dabei, zu verschwinden."
Die Geschichte wird auch deswegen nicht zum nostalgischen Heimatfilm oder
zur stilisierten Parabel, weil Schauplätze und die bis ins Detail
liebevolle und kenntnisreiche Ausstattung spürbar Authentizität
besitzen. Zudem versteht es Wagner, seine Figuren zwar knapp, aber dennoch
äußerst farbig und oft mit hintersinnigem Humor zu schildern.
Der junge Waller mit seiner selbstbewußten und cholerischen Art
oder der ewig unentschlossene Karg haben so individuelle Profile wie die
Räume und Landschaften, in denen sie sich bewegen.
Pressestimmen/Auswahl
Andreas Kilb: "Im Zug nach Nirgendwo", in: Die Zeit, 28.4.1989;
Michael Kötz: “WaIlers letzter Gang”, in: epd Film, 1989,
H. 4; Katrin Bettina Müller "Schwellenangst", in: tip,
1989, H. 9; Jürgen Schreiber "Endstation Kino", in: Natur,
1989, H 3; Ruprecht Skasa-Weiß: "Gras, über Lebens-Werke
wachsend", in Stuttgarter Zeitung, 27.4.1989.
Ingo Fließ
Zitat aus: Metzler Film Lexikon 100 besten Filme, hrsg. von Michael Töteberg.
– Stuttgart; Weimar: Metzler, 1995; S. 630, 631
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